Mehr Klimaschutz mit der neuen Bayerischen Bauordnung (BayBO)
Beitrag vom 16.07.2021

Teil 3 der Interviewreihe mit Rechtsanwältin Friederike Kerger (Kanzlei Kerger & Partner Rechtsanwälte in Gauting & München)

Seit 1. Februar 2021 gilt die neue Bayerische Bauordnung. Der Gesetzgeber hat u.a. erkannt, dass Klimaschutz immer auch den Bausektor einbeziehen muss. Schließlich gehört er zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftsbereichen in Deutschland. Weltweit geht ein Viertel aller CO2 Emissionen auf ihn zurück.

Umbau statt Neubau

„Ein Augenmerk der neuen Vorschrift liegt auf dem Ziel, Bauen im Bestand und Umbau statt Neubau zu fördern. Weil die Ressource Boden nunmal nicht vermehrt werden kann, ist das auch sinnvoll. So entfällt z.B. die Genehmigungspflicht beim Ausbau von Dachgeschossen zu Wohnraum. Bei Aufstockungen von Wohngebäuden zur Schaffung von Wohnraum entfällt in vielen Fällen die Pflicht zum Einbau eines Aufzugs“, so Kerger. Wir berichteten ausführlich zum Thema in Teil 2 dieser Interviewreihe.

Nachhaltige Baustoffe

Beton ist bekanntlich ein Klimakiller: Die Herstellung des für Beton benötigten Zements verursacht global betrachtet rund acht Prozent der Treibhausemissionen. Um zu begünstigen, dass künftig häufiger der viel nachnachhaltigere Baustoff Holz eingesetzt wird, wird dessen Einsatz durch die neue BayBO deutlich erleichtert. Kerger: „Wirksamer Brandschutz wird in Deutschland u.a. durch die Einteilung der Gebäude in verschiedene Gebäudeklassen sichergestellt. Bisher wurde dabei der Baustoff Holz nur für die Gebäudeklassen 1-3 zugelassen. Seit der Neuerung der BayBO kann Holz bis zur Gebäudeklasse 5 eingesetzt werden. Der Gesetzgeber öffnet sich also zugunsten des Klimaschutzes auch dem vielgeschossigen Bauen mit Holz.“

Daneben dürfen Bauteile, die feuerbeständig oder hochfeuerhemmend sein müssen, künftig grundsätzlich aus brennbaren Baustoffen sein. „Zu beachten bleibt, dass diese Bauteile den Anforderungen der Bayerischen Technischen Baubestimmungen (BayTB) genügen müssen. Auch diese wurden kürzlich überarbeitet und gelten derzeit in ihrer seit 01.04.2021 aktuellen Fassung“, so Kerger.

Flexiblere Handhabung der Stellplatzpflicht

Der Klimaschutz soll aber nicht nur dadurch gewährleistet werden, dass das Bauen künftig möglichst als Kreis­l­auf­wirt­schaft verstanden wird. Kerger: „Die bayerischen Gemeinden haben seit der Novelle der BayBO die Möglichkeit, bei der Ermittlung der erforderlichen Stellplätze die lokale Verkehrsinfrastruktur zu berücksichtigen und ihre Stellplatzsatzung für den eigenen Geltungsbereich maßzuschneidern. Damit haben sie mehr Freiraum, die von einigen schon lange angestrebten alternativen Mobilitätskonzepte umzusetzen.“ Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Die neue BayBO enthält Maßnahmen zum Klimaschutz, vereinfacht das Bauen und kann viele Prozesse beschleunigen. Auf Bauherren und Planer kommt allerdings künftig auch noch mehr Verantwortung zu.

Teil 1 und 2 unseres Interviews mit Rechtsanwältin Kerger finden Sie außerdem hier:

– Welcher Abstand ist in Ihrer Würmtalgemeinde einzuhalten?

– So kommen Sie schneller zur Baugenehmigung

Redaktion: Unser-Würmtal.de, RAin F. Kerger

Die neue BayBO – welcher Abstand gilt in Ihrer Würmtalgemeinde?

Am 01.02.21 ist die neue Bayerische Bauordnung (BayBO) in Kraft getreten. Durch sie soll nicht nur das Verwaltungsverfahren gestrafft, sondern auch das Bauen nachhaltiger, kostengünstiger, schneller und flächensparender gemacht werden.

Spätestens seit die Novelle am 02.12.2020 vom Landtag beschlossen wurde, erhitzt vor allem eine Regelung die Gemüter:

Das neue Abstandsflächenrecht.

Der Abstand zwischen zwei Gebäuden dient in Wohngebieten primär der Belüftung, Belichtung und dem sog. sozialen Abstand. Er betrug bislang 100% der Wandhöhe – bei einer 10m hohen Wand also 10m. Künftig soll er auf 40% bzw. in Industrie- und Gewerbegebieten auf 20% reduziert werden. Die Untergrenze liegt weiterhin bei 3m.

Mit der Neuregelung soll einerseits der große Bedarf an Wohnraum befriedigt, gleichzeitig aber der Flächenverbrauch möglichst reduziert werden. Da die Gemeinden teilweise eine zu starke Innenverdichtung fürchten, haben viele durch den Erlass einer entsprechenden Satzung grundsätzlich größere Abstandsflächen für ihr Gemeindegebiet festgelegt.

Was gilt künftig in welcher Würmtalgemeinde?

a) Gauting, Krailling, Neuried

Die Tiefe der Abstandsfläche muss hiernach abweichend von der neuen BayBO weiterhin grundsätzlich 100 % betragen. Sofern aber an mindestens zwei Außenwänden des Gebäudes 100% Abstandsfläche eingehalten werden, gilt:

Vor bis zu zwei Außenwänden genügen 50% Abstand, wenn die Länge dieser Wände 16m nicht übersteigt (sog. „Schmalseitenprivileg“). Der Mindestabstand von 3m ist in jedem Fall einzuhalten.

Der von Neuried definierte Geltungsbereich der Satzung ist dabei noch weiter gefasst als in Gauting und Krailling. In letzteren sind von der Geltung ausgenommen u.a. „Gewerbegebiete, Kerngebiete, Sondergebiete und der gesamte Außenbereich nach § 35 BauGB, es sei denn, es handelt sich um Geltungsbereiche nach § 35 Abs. 6 BauGB“.

Für die Berechnung der Wandhöhe ist in Gauting und Krailling vorgesehen, dass sie mit einem Drittel zu berücksichtigen ist bei Dächern mit einer Neigung von mehr als 45 Grad. Die neue BayBO berücksichtigt dagegen alle Wände mit bis zu einschließlich 70 Grad Neigung mit einem Drittel der Wandhöhe. Dächer mit einer Neigung von mehr als 70 Grad werden der Wandhöhe in allen Gemeinden mit 100% hinzugerechnet.

In Bebauungsplänen festgesetzte, von der allgemeinen Satzung abweichende Abstandsflächen bleiben in Gauting, Krailling und Neuried unberührt.

b) Gräfelfing

Gräfelfing sieht vorerst keine Notwendigkeit für eine Satzung mit eigener Abstandsflächenregelung. Die Gemeinde verfügt anders als andere Würmtalgemeinden über vergleichsweise junge Bebauungspläne, durch die nach Informationen des Bauamts zudem angemessene Regelungen für ca. 90% des Gemeindegebiets getroffen sind. Zum anderen wurde das Schmalseitenprivileg bereits bisher von vielen Bauherren so genutzt, dass die halbe Wandhöhe nicht zur Straße, sondern zum Nachbarn hin vorgesehen wurde. Mit einer sichtbaren Verdichtung durch die neue BayBO rechnet die Gemeinde daher derzeit nicht.

c) Planegg

Auch Planegg hat sich dafür entschieden, keine von der neuen BayBO abweichende Satzung zu erlassen; grundsätzlich sind also nur noch 40% der Wandhöhe bzw. in Industrie- und Gewerbegebieten 20% der Wandhöhe einzuhalten. Die Untergrenze liegt weiterhin bei 3m. Die Gemeinde geht dennoch derzeit nicht von einer störenden Innenverdichtung aus, weil geltende Bebauungspläne nach Aussage des Bauamts Baufenster vorsehen, die einen vergleichsweise großen Abstand vorsehen. Ob und inwiefern sich das Planegger Ortsbild verändern wird, wird sich wie auch in Planegg erst zeigen müssen.

Haben die Neuregelungen Zukunft?

Herrsching hat als einzige Gemeinde im Landkreis Starnberg auf den Erlass einer von den Grundsätzen der neuen BayBO abweichenden Satzung verzichtet. Grund hierfür ist die Annahme, dass derartige Satzungen einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten und die Gemeinden sich mit ihrem Erlass folglich regresspflichtig machen. Ob die von den Gemeinden in großer Eile erlassenen Satzungen Bestand haben werden, ist noch ungewiss.

Sicher ist indes schon jetzt, dass die gerichtliche Überprüfung nicht lange auf sich warten lassen wird. Schließlich geht es bei den im Münchner Süden und Südwesten liegenden Grundstücken ganz überwiegend um Grundstücke, mit denen im bundesweiten Vergleich Höchstpreise erzielt werden können. Schon wenn wenige Meter zusätzlich überbaut werden können, geht es um hohe Beträge.

Was bedeuten die Neuregelungen für Ihren Fall?

Nicht in jeder Gemeinde gelten die gleichen Regeln und innerhalb der Gemeinde kommt es darauf an, ob ggf. ein Bebauungsplan existiert. Abschließend kann Ihre Situation nur im Wege einer Einzelfallprüfung bewertet werden. Die Kanzlei Kerger mit Sitz in München und Gauting berät Sie umfassend.

Weitere interessante Neuerungen:

Planen Sie den Bau eines Eigenheims?  

Dann bietet die Neuregelung z.B. die Chance, schneller als bisher an eine Genehmigung zu kommen.

Möchten Sie Ihr Dachgeschoss künftig zu Wohnzwecken nutzen?

Die Nutzungsänderung ist nach neuer BayBO einschließlich der Errichtung von Dachgauben genehmigungsfrei gestellt.

Sind Steingärten noch erlaubt? Besteht die Aufzugpflicht fort, wenn ein Haus aufgestockt werden soll? Wie sieht es mit der Stellplatzpflicht aus und was gilt in der großen Kreisstadt Germering?

Die Kanzlei Kerger informiert regelmäßig auf http://www.kanzlei-kerger.de. Ein Interview zum Thema mit Rechtsanwältin Friederike Kerger finden Sie zudem unter https://www.unser-wuermtal.de/nachrichten/artikel/gebaeudeabstaende-im-wuermtal-unterschiedlich-geregelt-11090.html

Zu Ihrem individuellen Vorhaben beraten unsere Experten Sie gerne unter 089/ 7411 85 240.