Corona und die VOB/B – was tun, wenn keiner mehr zur Arbeit kommt? Wie Auftragnehmer ihre Frist halten können.

Die Virus Covid-19 bringt unweigerlich Arbeitsausfälle durch KiTa- und Schulschließungen, Quarantänemaßnahmen und Erkrankungen mit sich. Für viele Baubetriebe stellt sich daher die brennende Frage, wie mit den Leistungsverpflichtungen gegenüber ihren Auftraggebern und den vereinbarten Fristen zur Fertigstellung umgegangen werden muss. Hier droht Schadensersatz und Kündigung ihres Vertrags wegen Verzugs.

Für die Beurteilung der rechtlichen Möglichkeiten ist zu unterscheiden zwischen dem Werkvertragsrecht des BGB und der VOB/B.

Im BGB ist die Baubehinderung ebenso wie die Behinderungsanzeige nicht geregelt. Die VOB/B setzt zur Abwehr von Schadensersatzansprüchen und Kündigungsrechten des Auftraggebers hingegen zwingend eine Behinderungsanzeige voraus. Gleiches gilt, wenn die VOB/B wirksam in den Werkvertrag gemäß BGB einbezogen wurde.

Vorab:

Auch in Fällen des Leistungsverzuges wegen des Ausfalls von Mitarbeitern können sich nach unverzüglicher Behinderungsanzeige Ausführungspflichten in angemessenem Umfang verlängern.

  • Behinderungsanzeige abgegeben

Die Behinderungsanzeige muss zwingend folgende Kriterien erfüllen/beinhalten:

  • unverzüglich – bereits dann abgeben, wenn der Auftragnehmer glaubt, dass eine Verhinderung eintreten wird. Der tatsächliche Eintritt der Behinderung ist nicht notwendig.
  • schriftlich – Achtung! E-Mails zwischen Geschäftspartnern erfüllen das Schriftformerfordernis nach § 126 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.4.2012, Az. 4 U 269/11)
  • gegenüber dem Vertragspartner – was banal klingt, ist es bei vielen Beteiligten oft nicht
  • Beschreibung welche konkreten Arbeiten aufgrund welcher Umstände nicht wie geplant ausgeführt werden können – die Mitteilung der Erschwernis bei der planmäßigen Erbringung von Leistungen genügt gerade nicht.
  • Gründe für Behinderungen des Bauablaufs

Ist die VOB/B Vertragsgrundlage, können der Behinderungsanzeige folgende Umstände zugrunde gelegt werden:

  • Streik und Aussperrung im eigenen Betrieb
  • Witterungseinflüsse, wenn bei Abgabe des Angebots nicht damit gerechnet werden konnte
  • vom Auftraggeber zu vertretende Umstände
  • höhere Gewalt und andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände

Gerade bei der pandemischen Ausbreitung von Krankheiten, den durch die Behörden angeordneten Vorsichtsmaßnahmen wie Schulschließungen, Quarantäne in Verdachtsfällen und daraus folgender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit notwendiger Mitarbeiter sind für Auftragnehmer regelmäßig unabwendbare Umstände im Sinne höherer Gewalt anzunehmen.

  • Rechtsfolgen bei tatsächlicher Behinderung

Liegt tatsächlich eine Behinderung vor, verlängern sich die Ausführungsfristen in angemessenem Umfang. Dies gilt nur, wenn der Auftragnehmer die Behinderung des Bauablaufes nicht zu vertreten hat.

Hat der Auftraggeber die Behinderung zu vertreten, steht dem Auftragnehmer sowohl ein Anspruch auf Bauzeitverlängerung als auch ein Schadensersatzanspruch zu.

Hat keine der Parteien die Behinderung zu vertreten, besteht ein Anspruch auf Bauzeitverlängerung.

Die Bauzeitverlängerung berechnet sich nach:

  • Dauer der Behinderung
  • Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten
  • jahreszeitlich bedingte Zuschläge

Im Ergebnis ist festzuhalten: Zögern Sie nicht, unverzüglich Behinderung bei der Bauausführung anzuzeigen. Um greifen zu können, muss diese form- und fristgerecht eingereicht werden. Gehen Sie auf Nummer sicher. Wir unterstützen Sie bei der Erstellung Ihrer Behinderungsanzeige bzw. bei Fragen zur Einbeziehung der VOB/B in Ihren Vertrag, der Wahl des richtigen Adressaten, der Begründung des Behinderungsgrundes sowie der Benennung angemessener Fristverlängerungen.

Kerger & Partner RechtsanwälteGbR ist eine mittelständische Kanzlei in München mit Schwerpunkt im Bereich des Bau- und Architektenrechts. Unsere Anwälte vertreten seit vielen Jahren private und institutionelle Auftraggeber und Auftragnehmer vom „kleinen Handwerksbetrieb nebenan“ bis zum Großunternehmen. Profitieren auch Sie von unserer Expertise!

Kerger & Partner Rechtsanwälte GbR – mit Recht stark.

Corona und Quarantäne – Entschädigungsanspruch bei Entgeltausfall

In Deutschland nehmen die Fälle der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus (Covid-19) kontinuierlich zu. Um der Weiterverbreitung der Viren entgegenzuwirken, empfiehlt das Robert-Koch-Institut verschiedene Schutzmaßnahmen. Hierzu zählt als bislang wirksamstes Mittel die Quarantäne bzw. die sog. Absonderung betroffener Personen von der Umwelt. Sie kann nach § 30 IFSG angeordnet werden, wovon allein in Heinsberg bereits in 400 Fällen Gebrauch gemacht wurde.

Erkrankte bzw. Kontaktpersonen von Erkrankten werden von den zuständigen Behörden Covid-19 bedingt in Quarantäne genommen, d.h. sie dürfen das Krankenhaus bzw. ihr Haus 14 Tage lang nicht verlassen. Ihrer Arbeit können sie in diesen Fällen häufig nur noch bedingt oder gar nicht mehr nachgehen.

Anspruch auf Entschädigung bei Entgeltausfall

Da liegt die Frage nahe, wer das Entgeltausfallrisiko von Arbeitnehmern und selbständig Erwerbstätigen trägt. Beide haben gemäß § 56 Abs. 1 S.1 Infektionsschutzgesetz (IFSG) dann einen Anspruch auf Entschädigung in Geld, wenn sie durch die Anordnung der (Haus-) Quarantäne Verboten in der Ausübung ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit unterworfen wurden und dadurch einen Verdienstausfall erlitten haben. Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall.

Wie hoch ist der Entschädigungsanspruch?

Als Verdienstausfall gilt das Arbeitsentgelt.

1) Arbeitnehmer

Für Arbeitnehmer ist dabei das Arbeits­entgelt nach § 14 SGB IV maßgeblich, also der Betrag, der den Beschäftigten bei der für sie maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozial­ver­si­cherung und zur Arbeitsförderung oder entspre­chenden Aufwen­dungen zur sozialen Sicherung in angemes­senem Umfang zusteht (Netto-Arbeits­entgelt).

In dieser Höhe besteht der Entschädigungsanspruch für die ersten sechs Wochen. Ab der siebenten Woche wird Entschädigung in Höhe des Kranken­geldes nach § 47 Abs. 1 SGB V gewährt, soweit der Verdienst­ausfall die für die gesetz­liche Kranken­ver­si­che­rungs­pflicht maßgebende Jahres­ar­beits­ent­gelt­grenze nicht übersteigt.

2) Erstattungsanspruch Arbeitgeber

Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Auf Antrag wird sie dem Arbeitgeber von dieser aber wieder erstattet. Werden Sie als Arbeitgeber also aktiv und beantragen Sie Erstattung der von Ihnen verauslagten Beträge!

3) Selbständig Erwerbstätige

Der Erstattungsanspruch besteht auch für selbständig Erwerbstätige und die in Heimarbeit Beschäftigten. Ihr Verdienstausfall bemisst sich auf ein Zwölftel des Arbeitseinkommens aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit (Selbständige) und das durchschnittlich verdiente Arbeitsentgelt des Jahres vor Einstellung der ausgeübten Tätigkeit (in Heimarbeit Beschäftigte).

Kommt es für Selbständige zu einer Existenzgefährdung, können sie auf Antrag auch Mehraufwendungen erstattet erhalten wie weiterlaufende, nicht gedeckte Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.

Achtung Fristablauf

Entschädigungsansprüche sind binnen einer Frist von drei Monaten nach Beendigung der Absonderung bei den zuständigen Landesbehörden zu stellen. Auch Arbeitgeber müssen zur Wahrung ihres Erstattungsanspruchs hinsichtlich gezahlter Entschädigungen Fristen wahren.

Ob also als Arbeitnehmer, selbständig Erwerbstätiger, Arbeitgeber oder in Heimarbeit Beschäftigter von staatlich verordneter Corona Quarantäne betroffen – nehmen Sie Ihre Rechte wahr. Werden Sie rechtzeitig aktiv. Wir unterstützen Sie gerne!